A wie Anfang
Lerne mich etwas besser kennen und erfahre, warum ich tue, was ich tue. Ein Text übers Anfangen und weshalb Perfektion nicht mein Ziel ist.
Alles beginnt mit einem Herzschlag. So war es bei dir, so war es bei mir.
Schnell merkte ich, dass mein Blut-Pump-Organ für Sprache und Worte schlägt. Ob bewusst oder unbewusst mischte ich meinen Anmerkungen schon als kleiner Junge immer eine Prise Humor bei. So erzählte mir mein Vater einst von einem kuriosen Erlebnis beim Schauen eines Gesundheitsmagazins im Fernsehen. Unter anderem ein Thema jener Sendung: das unkontrollierte Wasserlösen – auch unter dem Begriff Inkontinenz bekannt. In der gleichen Sendung wurde dann noch auf ein Gewinnspiel hingewiesen, bei welchem die glücklichen Gewinner in den Genuss einer interkontinalen Kreuzfahrt kämen. Nun, wie soll ich es sagen: Die Worte “inkontinent” und “interkontinental” klingen zwar sehr ähnlich, deren Bedeutungen unterscheiden sich jedoch deutlich. Mein Vater musste denn auch lauthals lachen, als ich den erwähnten Hauptpreis mit den Worten “das wird dann aber ganz schön stinken auf diesem Schiff” kommentierte. Rückblickend frage ich mich, ob ich damals einfach noch etwas unwissend war, oder mir ganz bewusst eine der solidesten Pointen meines Lebens gelang, als ich womöglich mein Geschäft noch in die Windeln machte.
Es war etwa in diesem Alter, als mir diese geistreiche Pointe einfiel. Damals hatte ich noch Haare auf dem Kopf.
Wir spulen einige Jahre vorwärts. Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte ich eine KV-Lehre im Versicherungsbereich. War ich begeistert vom kaufmännischen Beruf oder der Versicherungsbranche? Das wäre gelogen gewesen. Ich war 16 Jahre jung und hatte primär einfach keine Lust, mindestens vier weitere Jahre nur die Schulbank zu drücken. Der Gedanke, erstmals regelmässig eigenes Geld zu verdienen, war ein weiterer Grund. Irgendwo musste ich einfach mal anfangen. Und damit wir uns richtig verstehen: es war eine sehr gute und lehrreiche Zeit. Um Arbeitserfahrung zu sammeln, blieb ich nach meinem Lehrabschluss deshalb zwei weitere Jahre im Unternehmen tätig. Während dieser Zeit war ich für die Abwicklung von Schadenereignissen zuständig - Meldungen per Telefon entgegen nehmen, Abklärungen tätigen und schliesslich mitteilen, ob und wie viel die Versicherung bezahlt. Du kannst dir vorstellen: bei diesen Punkten des Kontakts waren die Leute nicht immer gut gelaunt. Einige von ihnen hatten zuvor bestenfalls etwas Ärgerliches, im schlimmsten Szenario jedoch gar etwas Schreckliches erlebt. Viel Feingefühl war gefragt. Durch diese Arbeit wurde ich mir meiner kommunikativen Stärken bewusst. Ich wusste, dass ich das Geschehene nicht ungeschehen, es aber ertragbarer machen konnte. Während mir Berechnungen zu Schadensummen und weitere (für andere möglicherweise) logische Abläufe nicht immer leicht von der Hand gingen, interessierten mich der Kontakt zu den Menschen und die Möglichkeit, ihnen durch eine unangenehme oder gar schwierige Zeit zu helfen umso mehr.
Ich entschloss, meinen kommunikativen Stärken und der Neugier nach spannenden Geschichten mehr Raum geben zu wollen.
Meine angepeilte nächste Station: der Journalismus. Bei der Zürichsee-Zeitung erhielt ich dann in Form eines Volontariats die Möglichkeit, einen Fuss in die Tür zu bekommen. Vom Verarbeiten von Agentur-Meldungen, über das Führen von Strassenumfragen bis zum Schreiben von Titelgeschichten konnte ich viel an ersten Erfahrungen in meinen Rucksack packen. Es folgte ein Studium (Journalismus & Kommunikation) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur. Die drei Jahre ermöglichten mit sowohl innerhalb und ausserhalb der Hörsäle von viel Praxis-Wissen zu profitieren. In Workshops konnte ich unter anderem den Ernstfall in der Krisenkommunikation simulieren oder mit Mitstudent:innen ein Kommunikationskonzept für eine national tätige Vereinigung erarbeiten. Zudem bot sich die Möglichkeit, während eines Semesters komplett in die Berufsfelder einzutauchen und Praktika zu absolovieren. In dieser Zeit sammelte ich in der Kommunikationsabteilung der Genossenschaft Migros Zürich (sowie der angegeliederten Abteilung des Migros Kulturprozents) und bei Radio Zürisee weitere Erfahrung. Die Zeit beim Radio war insbesondere auch sehr bereichernd, weil ich hier die Möglichkeit hatte, mit einigen international bekannten Musiker:innen Interviews zu führen.
Zwei Highlights meiner Zeit beim Radio: Ehrliche und interessante Interviews, welche ich mit den beiden Musikern Joss Stone und Passenger führen durfte.
Seit dem Abschluss des Studiums nutze ich weiter die Gelegenheit, in verschiedenste Bereiche einzutauchen, meine Erfahrungen einzubringen und neues dazu zu lernen. Ich werde hier nicht in die Tiefe gehen, wann ich wo gearbeitet habe - erzähle es dir natürlich gern, wenn es dich interessiert ;-). Nach einiger Zeit, in der ich für verschiedenste Medien, Unternehmen und Agenturen Inputs eingebracht, recherchiert und getextet habe, spürte ich jedoch ein anderes Gefühl stärker werden. Ich vermisste es inzwischen immer mehr, meiner Kreativität im Privatleben Ausdruck zu verleihen. Lange schon hegte ich den Traum, irgendwann mal ein Buch zu schreiben – oder immerhin ein paar Kurzgeschichten. Aber genau hier lag das Problem: beim «irgendwann». Dieses kleine Wörtchen sowie eine grosse Portion Overthinking führten immer wieder dazu, dass ich einer Idee nicht erlaubte, zu Papier gebracht zu werden.
Während einer beruflichen Auszeit schwörte ich mir dann, dass sich dies ändern sollte. Ich fing einfach mal an. Von nun an führte ich immer ein Notizbuch mit mir mit. Denn: Wie viele von euch wohl wissen – gute Ideen kündigen sich selten an und lassen sich noch viel weniger erzwingen. Und: sich darauf verlassen, dass einem gute Ideen schon im Kopf bleiben, ist ein naiver Gedanke. Unser Hirn ist eine Problemlösungs-Maschine, kein Speichermedium. Eine Idee zu einer Handlung? Notiert. Charakterzüge einer Figur? Notiert. Ein Wortspiel, dass mir spontan einfiel?…Du ahnst es: notiert! Mit der Zeit hatte ich zwar noch keine einzige Geschichte geschrieben, aber viele Puzzleteile vor meinen Augen. Jetzt galt es, sie zusammenzusetzen. Und siehe da: genau, wenn ich nicht mehr an einer bestimmten Geschichte rumstudierte und vermutlich gerade im Wald spazieren war, passierte es. «Figur x macht y und erlebt nachher z. Wie konnte ich dies vorher nicht sehen?!”» Oft passierte es dann, dass ich danach eine Geschichte in kürzester Zeit fertigstellen konnte. Obwohl: wann ist eine Geschichte fertig? Vermutlich nie. Immer könnte man noch an etwas feilen, kürzen, eine treffendere Formulierung finden. Und wenn du zehn verschiedene Leute nach einer Meinung fragst, erhältst du zehn verschiedene Antworten. Ich beschloss, mein zuvor jahrelang aufschiebendes und perfektions-orientierte Ich zu bestrafen und Geschichten einfach fertigzustellen. Nur so war es möglich, die erste Staffel meines Kurzgeschichten-Projekts «Audio Adventskalender» fertigzustellen. Am Ende standen 12 Geschichten, verteilt auf 24 Folgen. Jeden Tag vom 1. bis zum 24. Dezember veröffentlichte ich ein «Türli zum Hören». Waren alle Geschichten super? Nein. Mag ich die meisten nach wie vor? Ja. Am wichtigsten war für mich nicht mal die Qualität, sondern, dass ich das Projekt erfolgreich beende. Wohin hätte mein Perfektionismus geführt, wenn ich ihm das Kommando überlassen hätte? Das Projekt wäre wohl nie zustande gekommen. Weil ich aber einfach mal machte, entwickelte sich ein unglaublicher Flow. Das Projekt nahm eine Eigendynamik an, welche ich mir nicht hätte vorstellen können. Plötzlich meldeten sich Freundinnen und Freunde und Bekannte und fragten an, ob sie auch eine Rolle einsprechen dürften. So führte das Projekt aus einer Anfangsphase, welche oft im stillen Kämmerchen stattfand zu einem rauschenden Finale, bei welchem ich mit vielen tollen Menschen das tun konnte, was ich liebe. Und sogar der legendäre ehemalige SRF-Sport-Kommentator Stefan Bürer (Tennis + Eishockey) leihte einer Figur seine Stimme.
Sozusagen ein «Full-Circle-Moment»: Mein Göttibueb, für welchen ich eine der Geschichten schrieb, spricht eine Rolle dieser Story ein.
Die Arbeit an diesem Projekt machte derart Spass, dass ich mich wenige Tage nach derem Abschluss an der Speech Academy Schweiz einschrieb, um eine Ausbildung zum professionellen Sprecher zu absolvieren. Ich wusste, dass ich lernen kann, meine Stimme noch besser einzusetzen – und ich wollte mich auch einfach mit Menschen vernetzen, welche meine Leidenschaft fürs Erzählen von Geschichten teilen.
In Workshops, Gruppen- und Einzelcoachings erlernte ich mit vielen tollen Männern und Frauen die Feinheiten der Genres Hörspiel, Radio- und TV-Werbung, Kommentar und Voice-Over, sowie Synchron und Trickfilm. In diesen Lehrveranstaltungen, welche sich selten bis nie wie Schule aber praktisch immer wie Zeiten der persönlichen Weiterentwicklung anfühlten, verliebte ich mich vor allem wieder aufs Neue ins Ausprobieren. Dabei übte ich mich auch immer mehr im «Sich-Selbst-Nicht-Zu-Ernst-Nehmen» und einem gesünderen Umgang mit vermeintlichen Fehlern.
Gegen Ende der einjährigen Diplomausbildung kristallisierte sich zudem ein Lerngrüppchen hinaus. Wir machten uns gegenseitig für die Abschlussprüfung fit und hatten nicht zuletzt einfach immer eine gute Zeit. Der Kontakt blieb auch nach den Abschlussprüfungen bestehen. Aus dem Lerngrüppchen ist inzwischen ein Kollektiv geworden, welches sich auch bei zukünftigen Projekten unterstützen will – mal hinter dem Mikrofon, manchmal einfach moralisch. Wir tauschen uns aus, inspirieren einander und sorgen dafür, dass wir die Freude am Sprechen und Kreieren zwischen Castings und Flaute-Zeiten nicht verlieren.
Im August trafen wir uns denn auch wieder, um uns auszutauschen. Und da schlug ich eine Idee vor: Was wäre, wenn wir gemeinsam eine zweite Staffel des «Audio Adventskalenders» auf die Beine stellen würden? Nach anfänglichen verzeinzelten Zweifeln über genügend kreative Ideen von allen Seiten überwiegte aber die kollektive Neugier. Schnell war entschieden: wir wagen es. Seither hat die Arbeit begonnen. Was genau herauskommen wird, wissen wir nicht. Aber wir sind überzeugt, dass es gut wird.
Wir fangen einfach mal an.
Nach ersten Brainstormings zuvor begann am 1. September mit der "Spielgruppä" ganz offiziell die Arbeit an der 2. Staffel des Audio Adventskalenders. Von links nach rechts: Ramona Ronner, Anita Bleiker, Yvonne Lang und Miriam Freimann.
Gerne nehme ich dich mit auf die weitere Reise und werde immer mal wieder neue Blog-Artikel veröffentlichen: woran ich arbeite, was mich gerade beschäftigt, oder vielleicht auch einfach mal eine Kurzgeschichte.
Schön, dass du hier bist.
Liebe Grüsse
Gabriel